Berner Zeitung – Der lange Weg zur Dusche
Das Clubhaus des SC Ersigen ist eine alte Baubaracke. Duschen müssen die Vereinsmitglieder im rund einen Kilometer entfernten Schulhaus – das soll sich nun ändern.
An den Wänden des Clubhauses hängen Teamfotos, Auszeichnungen und alte Bilder vom Gebäude selbst. Sie wurden im Jahr 1996 geschossen, als Freiwillige die Baubaracke mit einem Lastwagen ins Moos fuhren und hier aufbauten. Jetzt soll das Konstrukt abgerissen und
durch einen Neubau ersetzt werden. «Die Idee reift schon seit ein paar Jahren in unseren Köpfen», sagt Michael Christen, der Präsident des Fussballvereins. Eine Gruppe von Freiwilligen hat das Projekt ausgearbeitet und stellt es am 22. Februar erstmals der Öffentlichkeit vor. Zum Projektteam gehört auch Werner Fischer, er ist ein langjähriges Vereinsmitglied. Jetzt führt er zusammen mit Vereinspräsident Christen durch die Räumlichkeiten des Fussballclubs.
Die Gebäude zerfallen
In der Baracke ist es fast so kalt wie draussen, nur ein kleiner elektrischer Ofen wärmt den kleinen Raum. Hier befinden sich Tische, Stühle sowie eine Küche. Das Gebäude wird vor allem an Matchtagen gebraucht. Es ist ein Restaurant und ein Aufenthaltsraum zugleich. Fischer und Christen verlassen das Clubhaus und betreten einen blauen Container gleich nebenan. In diesem Bau lagert der Verein Fussbälle und anderes Trainingsmaterial; ein paar Holzbänke und Kleiderhaken an den Wänden dienen zudem als Garderobe. Es riecht muffig. «Die Böden und Decken sind morsch», sagt Christen und deutet auf Löcher und Dellen rund um ihn herum. Was auch auffällt: Es hat keine Duschen.
Pendeln zum Schulhaus
Nach den Trainings duschen die Juniorinnen und Junioren des SC Ersigen meist zu Hause. An Matchtagen gehen viele ins Schulhaus, das sich etwas mehr als einen Kilometer entfernt vom Sportplatz befindet. Um dorthin zu gelangen, fahren die Kinder mit dem Velo die Hauptstrasse entlang. Auswärtige Spielerinnen und Spieler, die für einen Match nach Ersigen kommen, reisen oft mit ihren Eltern an und pendeln mit dem Auto zwischen dem Schulhaus und dem Fussballfeld hin und her. Die Fahrten mit dem Velo sind nicht ungefährlich, diejenigen mit dem Auto sorgen für Mehrverkehr im Dorf. Eine neue Garderobe inklusive Duschen soll das Leben der Fussballerinnen und Fussballer künftig vereinfachen. «Es ist ein Wunder, ist noch kein Unfall passiert», sagt Michael Christen. Er spricht zwar von den Velofahrten der Kinder, doch auch der Zustand der beiden Gebäude hätte bereits zu kritischen Situationen führen können. Beispielsweise, als Teile der Decke einbrachen. Der Präsident des SC Ersigen sorgt sich aber nicht nur um die Sicherheit der Vereinsmitglieder, er schämt sich manchmal auch für das Zuhause des Fussballclubs. Falle ein Matchtag auf die Schulferien, seien sowohl die Garderoben als auch die Duschen im Schulhaus geschlossen. «Ich muss dann das Gastteam im Voraus anrufen und ihnen erklären, dass sie bereits im Trikot anreisen sollen.» Das sei peinlich. Auch die Gastronomie sei von der fehlenden Infrastruktur betroffen. Nach den Spielen verweile niemand im Clubhaus, wenn man danach nicht am gleichen Ort duschen könne.
Neuer Treffpunkt für Vereine
Künftig sollen sich Garderoben, Duschen, Material- und Lagerräume sowie das Restaurant nicht nur am gleichen Standort, sondern im gleichen Gebäude befinden. «Wir wollen aber nicht einfach unseren eigenen Kuchen backen», sagt Werner Fischer. Das neue Clubhaus soll auch anderen Dorf- und Sportvereinen aus der Region zur Verfügung stehen und ein Treffpunkt in Ersigen werden. Für den Neubau rechnet das Projektteam mit Kosten von 800’000 Franken. Einen Teil davon werde der Verein mit dem Eigenkapital bezahlen, er ist jedoch auch auf fremde Hilfe angewiesen. Deshalb findet gleichzeitig mit der Infoveranstaltung diese Woche auch der Start des Sponsorings statt. Kommt genug Geld zusammen, wird gegen Ende Jahr das Baubewilligungsverfahren eröffnet. Ziel sei es, 2025 mit den Bauarbeiten zu beginnen, sagt Fischer.
Lage anders als in Kirchberg
In Kirchberg ist das Baugesuch für ein ähnliches Projekt seit zwei Jahren hängig. Dort will der Fussballclub Garderoben, Duschen und eine Tribüne bauen. Bis heute duschen die Juniorinnen und Junioren in den Anlagen der Gemeinde, etwa fünf Gehminuten vom Sportplatz entfernt. Hat der SC Ersigen das Gefühl, ihnen könnte das Gleiche passieren? «Nein, wir sind zuversichtlich und hoffen auf gutgesinnte Nachbarn», sagt Werner Fischer. Die Ausgangslage in Ersigen sei eine andere, vor allem wegen der Lage des Sportplatzes. Er befinde sich nicht wie in Kirchberg mitten in einem Quartier, sondern etwas ausserhalb. Durch einen Neubau werde also kein Mehrverkehr generiert. Im Gegenteil. Wenn das Pendeln zwischen den Schulgarderoben und dem Clubhaus ein Ende hat, wird es an den Wochenenden wohl ruhiger im Dorfkern.
Pia Scheidegger
Bericht nachlesen: https://www.bernerzeitung.ch/sc-ersigen-der-fussballclub-ohne-infrastruktur-525191070891